Die Bengal Kätzin Brigitte fiel ihrem Haustierarzt vor einigen Wochen durch ein steifes Gangbild und auffälliges Verhalten auf. Als sie zusätzlich Krampfanfälle entwickelte, wurden bereits weiterführende Untersuchungen wie ein MRT des Kopfs mit Hirnwasseruntersuchung, ein Ultraschall des Abdomens sowie eine Computertomographie durchgeführt. Der auffälligste Befund war insgesamt jedoch in der hämatologischen Untersuchung („Blutbild“) zu finden und der Haustierarzt äußerte bereits den Verdacht auf eine seltene Bluterkrankung – die Polycythaemia vera.
Diese Erkrankung ist bei Katzen extrem selten. Dabei kommt es zu einem vermehrten Wachstum der Knochenmarksstammzellen, die zu viele rote Blutkörperchen (Erythrozyten) bilden, das Blut wird „zu dick“ – und es können Durchblutungsstörungen und Krampfanfälle auftreten.
Brigitte wurde uns im Notdienst vorgestellt, in dem wir nach klinischer Untersuchung und Sichtung der Befunde den Verdacht teilten. Bei Brigitte bestand zu diesem Zeitpunkt eine hochgradige Erythrozytose (Hämatokrit über 77 %; der Normwert liegt zwischen 30 und max. 50%). Durch einen gezielten Aderlass als Notfallmaßnahme konnten wir die Zahl der Blutzellen sofort senken und so die Durchblutung verbessern. Brigitte hat diesen Eingriff tapfer überstanden und war danach wieder aufmerksam und munter.
Wenige Tage später wurde sie bei gutem Befinden zur Diagnosesicherung in unserer internistischen Fachabteilung vorgestellt. Der Hämatokrit lag zu diesem Zeitpunkt bei 68%. Sie erhielt erneut einen Aderlass als symptomatische Maßnahme und es wird nun eine gezielte Therapie mit Hydroxyurea, einem die Zellteilung hemmenden Medikament, eingeleitet. Bei dieser chronischen Erkrankung ist in der Regel eine längerfristige bis oft lebenslange Therapie notwendig und es müssen wiederholte Kontrollen (des Allgemeinbefindens sowie der Blutwerte) stattfinden.
Polycythaemia vera ist zwar sehr selten, sollte aber immer auch als Differenzialdiagnose bei unklaren Anfällen in Betracht gezogen werden. Dass Brigitte so früh überwiesen wurde, war entscheidend für ihr Wohlbefinden.

